Das Wesen der Glasmalerei ist in vielerlei Hinsicht besonders. Die bunt gefärbten und bemalten Glasscherben, die über Bleiruten zu einem größeren Mosaik verbunden sind, fungieren gleichzeitig als Farbträger und Malgrund. Anders als bei sonstigen Gattungen der Malerei entspricht der Malgrund der Lichtquelle, die Farben werden über das sie durchdringende Licht aktiviert und leuchten aus sich selbst heraus – ein Umstand, der diesem Medium in hochmittelalterlicher Zeit herausragende Würdigung einbrachte und in theologischen Schriften wiederholt als symbolischer Ausdruck Gottes gedeutet wurde. Diese jeden noch so prachtvoll angelegten Goldgrund übertreffende Intensität haben die meisten Glasmalereien trotz häufig großer Bestandsverluste, Beschädigungen und Standortwechsel erhalten. Ein Großteil der glasmalerischen Arbeiten ist in besonderem Maße mit seiner umgebenden Architektur verbunden. Die Glasfelder stellen in ihrer Zusammensetzung eines ganzen Fensters zugleich wandbildende Materie dar, beeinflussen durch ihre lichtmodellierende Wirkung die Wahrnehmung des Innenraums und sind ebenso Vermittler bildlicher Inhalte: sie zeigen monumentale Figuren Heiliger in Fantasiearchitekturen, bestechen mit reicher Ornamentik oder schildern ausführliche biblische Zyklen in Form ganzer Kathedralfenster oder in Serien kleiner Kabinettscheiben. Praktische und künstlerische Funktion gehen hier Hand in Hand.
Das Seminar wird einen Überblick über diese facettenreiche Kunstgattung geben und in die Geschichte der mittelalterlichen Glasmalerei im deutschsprachigen Raum einführen. Die Herstellung sowie mit der Zeit zunehmend spezialisierte Gestaltungstechniken des Mediums, seine Gattungen, materielle Bedeutung und die historische Rezeption werden kennengelernt. Dabei üben wir Grundlagen der kunsthistorischen Objekterschließung, das genaue Hinsehen und Beschreiben eines Werks, exzerpieren Fachliteratur und analysieren und bewerten historische Quellen. Über die Beschäftigung mit verschiedenen Glasmalereibeständen des Mittelalters, sowie deren Formen und Motiven, werden darüber hinaus Grundkenntnisse der christlichen Ikonografie vermittelt.
Zusätzlich sollen die Tätigkeitsfelder des Corpus Vitrearum Medii Aevi (CVMA), eines internationalen Projektes, das sich mit der Erfassung und Erforschung mittelalterlicher Glasmalerei beschäftigt und sich auch für deren virtuelle Repräsentation engagiert, vorgestellt werden und mithilfe der digitalen Angebote des Projekts einzelne Objektstudien vorbereitet werden.
Ein ganztägiger Ortstermin in Brandenburg a. d. Havel, bei dem der Dom St. Peter und Paul sowie die Kirche St. Pauli mit ihren Glasmalereibeständen besichtigt werden sollen, und Besuche der glasmalerischen Sammlungen des Märkischen Museums und des Kunstgewerbemuseums ergänzen das Programm.
Die Teilnahme ist aufgrund der Ortstermine auf 15 Plätze beschränkt.
BA-KulT KUWI 2, BA-KulT KUWI 6, BA-KulT KUWI 7, FW
im Seminarraum A072
Einführende Literatur
Rüdiger Becksmann: Deutsche Glasmalerei des Mittelalters. Voraussetzungen,
Entwicklungen, Zusammenhänge (= Deutsche Glasmalerei des Mittelalters, Bd. 1), Berlin, 1995.
Ute Bednarz u. a.: Die mittelalterlichen Glasmalereien in Berlin und Brandenburg (= CVMA Deutschland XXII), Berlin 2010, 2 Bde. [https://corpusvitrearum.de/publikationen/editionen/editionen/cvma-xxii.html].
Elizabeth Carson Pastan und Brigitte Kurmann-Schwarz (Hrsg.): Investigations in Medieval Stained Glass. Materials, Methods, and Expressions (= Reading Medieval Sources, Bd. 3), Leiden / Boston 2019.
Corpus Vitrearum Deutschland: Mittelalterliche Glasmalereien im Kontext [https://corpusvitrearum.de/glasmalerei-im-kontext.html]
Eva Frodl-Kraft: Die Glasmalerei. Entwicklung, Technik, Eigenart, Wien / München 1970.
Hiltrud Westermann-Angerhausen u. a. (Hrsg.): Himmelslicht. Europäische Glasmalerei im Jahrhundert des Kölner Dombaus (1248–1349), Ausst.-Kat., Schnütgen-Museum in der Josef-Haubrich-Kunsthalle in Köln 1998, Köln 1998.
31321100 FG Kunstgeschichte, Schwerpunkt Bildkünste
12:00 - 14:00, Di., Di. 18.10.22, Di. 25.10.22, Di. 01.11.22, Di. 08.11.22, Di. 15.11.22, Di. 22.11.22, Di. 29.11.22, Di. 06.12.22, Di. 13.12.22, Di. 03.01.23, Di. 10.01.23, Di. 17.01.23, Di. 24.01.23, Di. 31.01.23, Di. 07.02.23, Di. 14.02.23
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