Das Porträt: Funktionen, Typologie und Geschichte einer Gattung, 1500–1800
SE
PD Dr. Gerrit Walczak
BA + MA
BA KulT KuWi 2, 4;5 ; MA KuWi 1, 3a
maximal 25 Teilnehmer*innen
A 060
Alle Kunst begann mit einem Porträt: Kora, Tochter des Töpfers Butades in Korinth, zeichnete mit einem Stück Kohle den Schattenriss ihres Geliebten an eine Wand. Ihr Vater belegte die Silhouette mit einer Tonschicht und brannte das damit entstandene Relief. Dieser von Plinius d. Ä. überlieferte Grundungsmythos illustriert nicht nur ihren abbildenden Charakter, sondern auch die Zweckgebundenheit von Bildnissen, in diesem Fall die Verwendung zur persönlichen Memoria. Realiter schufen Porträtisten ihre Werke jedoch selten zum eigenen Gebrauch. Sie agierten vielmehr als Dienstleister für Besteller, die mit ihren Porträts bestimmte Ziele verfolgten und ein bestimmtes Publikum adressierten. Mittel wie Zwecke unterlagen zwischen 1500 und 1800 erheblichem Wandel, doch immer bewegte sich das Porträt zwischen Individualität und Typisierung, Intimität und Representativität, Verismus und Idealisierung.
Das Seminar geht der Geschichte des Porträts als einer der klassischen Gattungen der Malerei nach, doch auch den typologischen Konventionen, denen das frühneuzeitliche Bildnis von Männern und Frauen, Kindern, Ehepaaren, Familien und größerer Gruppen folgte. Es wird um die verschiedenen Funktionen gehen, denen Bildnisse dienten, und um die künstlerischen Mittel, mit denen sie intime, familiäre, dynastische, politische und andere soziale Verbindungen zum Vortrag bringen. Neben der typologischen Ausdifferenzierung in Herrscher-, Adels-, Stifter-, Gelehrten- und Künstlerporträts wird immer auch die schließlich mit wachsendem Nachdruck gestellte Frage mitschwingen, ob und gegebenenfalls wie das Abbild eines Menschen seinen Charakter beschreiben kann – oder ob es nur einen Status vor Augen führt, der nicht einmal der Wirklichkeit entsprechen muss, sondern bloße Behauptung sein kann.
Literatur: Eva-Maria Krems, Sigrid Ruby (Hrsg.), Das Porträt als kulturelle Praxis, Berlin/München: Deutscher Kunstverlag, 2016; Rudi S. Ekkart, Quentin Buvelot (Hrsg.), Holländer im Porträt. Meisterwerke von Rembrandt bis Frans Hals, Ausst.-Kat. Den Haag/London, Mauritshuis, National Gallery, Zwolle 2007; Citizens and Kings: Portraits in the Age of Revolution, 1760–1830, Ausst.-Kat. London, Royal Academy of Arts, London 2007; Mirjam Neumeister (Hrsg.), Die Entdeckung der Kindheit: Das englische Kinderporträt und seine europäische Nachfolge, Ausst.-Kat. Frankfurt a. M., Städel Museum, Frankfurt a. M. 2007; Stephan Kemperdick, Das frühe Porträt, Ausst.-Kat. Wien/Basel, Liechtenstein Museum, Kunstmuseum, München 2006; Andreas Beyer, Das Porträt in der Malerei, München 2002; Rudolf Preimesberger et al., Porträt, Berlin 1999 (Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, 2); Martia Pointon, Hanging the Head: Portraiture and Social Formation in Eighteenth-Century England, New Haven/London 1993
Termingruppe 1
31321800 FG Kunstgeschichte der Moderne mit Schwerpunkt Wissenskulturen/Institutionsgeschichte/Kunstgeschichte
Walczak, Gerrit
Mo. 15.04 - 15.07.24, wöchentlich, 14:00 - 16:00
A 060 (Charlottenburg)
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