Sind Sie sich sicher?
Das Seminar setzt sich intensiv neusten Arbeiten zur Theorie der Refiguration und benachbarter Konzepte auseinander. Refiguration von Räumen ist das Thema des Berliner Sonderforschungsbereiches (SFB) 1265, in dem gesellschaftliche Veränderungen der letzten Jahrzehnte mit dem Fokus auf ihre räumliche Dimension untersucht werden. Über die verschiedenen empirischen Arbeiten hinweg stellt der Begriff der Refiguration allgemeine theoretische Ansprüche: Grundlagentheoretisch will er erstens die räumlichen Aspekte von Gesellschaft in die Sozialtheorie integrieren; zum zweiten zielt er auf eine Theorie des räumlichen sozialen Wandels. Deswegen geht es, drittens, auch darum, die gesellschaftlichen Entwicklungen der jüngeren Zeit diagnostisch zu erfassen.
Gerade wegen seiner Offenheit für empirische Befinde haben wir im SFB den Begriff der Refiguration ähnlich als eine Art theoriegeleitetes „sensitizing concept“ eingeführt. Das heißt, dass wir zwar theoretische Überlegungen aus der relationalen Raumtheorie, dem kommunikativen Konstruktivismus und der Eliasschen Prozesstheorie genutzt haben, ohne das Konzept jedoch zu fixieren. Vielmehr haben wir Refiguration immer mit Blick auf die jeweiligen Forschungsstände (anfangs anderer, zunehmend eigener Projektarbeiten) formuliert, an die (auch theoretischen) Diskussion der beteiligten Disziplinen angepasst und im Laufe der Zeit verändert. Nach nun zwei Phasen des Sonderforschungsbereich möchten wir diese Entwicklung selbst reflektieren und mit Blick auf die theoretischen Perspektiven und die Potenziale zur Erfassung auch der jüngeren gesellschaftlichen Entwicklungen diskutieren.
Zur Diskussion wollen wir Studierende einladen, die eine sehr gute Kenntnis soziologischer und anderer raumwissenschaftlicher Theorie und Empirie, jedoch nicht unbedingt schon eine große Vertrautheit mit der Refigurationstheorie haben. In einem Workshop sollen auch Forschende und Theoretiker*innen zur Diskussion eingeladen werden, die aktuelle Beiträge zur Gegenwartsdiagnose leisten.
Teilnahmevoraussetzung ist ein Motivationsschreiben. Interessierte, die an der Veranstaltung teilnehmen wollen, beschreiben bitte bis zum 01.10.25 kurz auf einer halben Seite ihr Interesse an dem Seminar. Da die Teilnahme begrenzt ist, möchten wir mit Hilfe der Schreiben eine Gruppe mit ähnlichen Interessenslagen zusammenstellen. Bitte richten Sie die Motivationsschreiben an Rim Winker rim.winker@tu-berlin.de per E-Mail. Die Räume, in denen die Lehrveranstaltung stattfindet, werden bei einer Zulassung zur Teilnahme kommuniziert.
Findet im raum Fh 918 statt.
Raum, Planung, Katastrophen.
Oder: Müssen Utopien immer scheitern?
Karl Poppers berühmtes Zitat, demzufolge jedes politische Versprechen, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, stets die Hölle erzeuge, soll die aus Poppers Sicht logisch begründbare Unmöglichkeit von Zukunftsprognosen unterstreichen. Demnach scheitert jedes Versprechen, das Paradies auf Erden zu erschaffen, stets an der Differenz zwischen notwendig begrenztem Planungswissen und der Komplexität des Sozialen. Die Tätigkeit handelnder Menschen kann technisch-rational nie vollständig antizipiert oder gar determiniert werden (Hannah Arendt). Nichtsdestotrotz ist die Geschichte der Utopien – von Platons Philosophenkönig über Thomas Morus' „Utopia“ und Campanellas „Sonnenstaat“ bis zu den utopischen Romanen der Frühsozialisten Etienne Cabet, Henri de Saint-Simon oder Charles Fourier – sowie die Geschichtsphilosophie des historischen Materialismus, die Verheißungen des modernen Urbanismus (Le Corbusier) und die neuesten Versprechungen der Smart Cities (Löw) – voll von Versuchen, eine bessere Welt zu erdenken und meist auch durch konkrete Architekturen zu errichten.
Gerd de Bruyn bezeichnet die Verkehrung der meist hehren Ziele utopischer Entwürfe, sofern sie machtvoll durchgesetzt werden können, als die „Diktatur der Philanthropen“ und zeigt, dass die Entwicklung der Raumplanung ihren Ursprung in einem stets mehr oder weniger utopischen Denken nimmt. Diese utopischen Wurzeln der (Raum-)Planung sowie das Scheitern von konkreten Planungsutopien (Scott) wollen wir im Seminar anhand einiger klassischer Texte und ausgewählter Beispiele rekonstruieren. Damit sind auch die Fragen der normativen Selbstpositionierung von Planung aufgeworfen sowie die Frage, ob die Antizipation einer besseren Welt für die Planung damit tatsächlich vollständig diskreditiert ist. Ebenso werden wir der Frage nachgehen, ob anstelle der Utopie aus einem Guss inkrementelle und partizipative Planungsweisen treten können bzw. sollen.
Seminarsprachen: Deutsch/Englisch