SE Mies van der Rohe
Do, 10-12 Uhr
Online-Veranstaltung mit ausgewählten Präsenzterminen vor Ort
(MA KuWi 2, MA KuWi 4, Freie Wahl)
„Baukunst ist nicht die Durchführung bestimmter Formprobleme, so sehr diese auch in ihr enthalten sind. Sondern sie ist immer […] der räumliche Vollzug geistiger Entscheidungen.“ (Mies van der Rohe in einem Vortrag 1926). Das Seminar widmet sich – nach den monografisch ausgerichteten Seminaren zu Le Corbusier und Frank Lloyd Wright in den vergangenen Wintersemestern - dem Werk des Architekten Ludwig Mies van der Rohe. Sein durchaus umfangreiches Oeuvre, von dem mehr als die Hälfte in den USA entstanden ist, wohin Mies van der Rohe 1938 emigrierte, lässt der Forschung zufolge eine Konzentration auf bestimmte Themen erkennen, die trotz differierender Formensprache das Früh- und Spätwerk miteinander verbindet. Dazu gehört beispielsweise der universell nutzbare Raum, der uns schon mit der Eingangshalle in Haus Riehl (1907) und auch in späteren Bauten wie beispielsweise der Crown Hall auf dem Campus des Illinois Institute of Technology in Chicago begegnet. Konzentration kennzeichnet die Wahl der verwendeten Materialien: vornehmlich Ziegel, Stahl und Glas, aber auch Stahlbeton, kombiniert mit den Natursteinen Travertin und Granit, begegnen am häufigsten im Werk dieses Architekten. Mies van der Rohe war auf der Suche nach dem universellen Charakter des Bauwerks und des Raumes, nicht nach individuellen Lösungen. Wie sich die Bauherr:innen dazu verhielten, gehört auch zu den Themen dieses Seminars. Zu seinen späten Bauten gehört die Neue Nationalgalerie in Berlin, die wir – wie auch andere Beispiele in dieser Stadt – vor Ort gemeinsam diskutieren werden, sofern coronabedingt möglich.
Auch wenn Mies van der Rohe weitaus weniger als z.B. Le Corbusier publizierte, lohnt sich der Blick in seine Schriften, die Fritz Neumeyer unter dem Titel „Das kunstlose Wort“ veröffentlichte. Pro Sitzung werden wir einen der zumeist kurzen Texte des Architekten diskutieren, um auf diese Weise den von Mies van der Rohe angesprochenen Gedanken des „räumlichen Vollzugs geistiger Entscheidungen“ zu hinterfragen.
Ludwig Mies van der Rohe arbeitete in den Büros von Bruno Paul und Peter Behrens; er leitete die Architektursektion der „Novembergruppe“, war Mitbegründer des „Rings“ und künstlerischer Leiter des Deutschen Werkbunds. Als solcher oblag ihm die künstlerische Planung und Ausführung der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, die im Rahmen der Werkbundausstellung „Die Wohnung“ 1927 präsentiert wurde. Mies war dritter und letzter Direktor des Bauhauses und nach der Emigration Leiter der Architekturabteilung des von ihm geplanten und weitgehend entworfenen Illinois Institute of Technology (IIT). Er gehörte zur Avantgarde der Architekten seiner Zeit und prägte nicht nur Zeitgenoss:innen, sondern wurde auch – z.B. für die Architekten des New Brutalism um Alison und Peter Smithon – zum kritisierten Gegenbild.
Zu den Klassikern der Mies‘schen Baukunst gehören Haus Tugendhat in Brünn, der (1986 rekonstruierte) Barcelona-Pavillon, House Farnsworth, die schon genannte Neue Nationalgalerie sowie etliche Wohn- und Bürohochhäuser, darunter die Lake Shore Drive Appartement Häuser in Chicago und das Seagram Building in New York. Doch nicht allein das Einzelbauwerk, sondern erkennbare Prinzipien seines Werkes sollen ausgemacht und untersucht werden.
Hinweis: Das Seminar wird weitgehend online – unter Einbeziehung von Gruppenarbeit in Breakout-Sessions – durchgeführt werden. In mindestens drei Exkursionen vor Ort innerhalb Berlins wollen wir die Baukunst dieses Architekten am Objekt diskutieren – auf der Basis städtebaulicher und architektonischer Fragen sowie seiner theoretischen Schriften.
Einführende Literatur:
Franz Schulze: Mies van der Rohe. Leben und Werk, Berlin 1986; Carsten Krohn: Mies van der Rohe. Das gebaute Werk, Basel 2014; Fritz Neumeyer: Mies van der Rohe. Das kunstlose Wort, Berlin (2. Auflage) 2016; Jean-Louis Cohen: Ludwig Mies van der Rohe, Basel u.a. 1995.