Was ist kultureller Extraktivismus? III
Blockseminar
Prof. Dr. Bénédicte Savoy und Dieu Ly Hoang
MA
MA KUWI 3a/3b, MA KUWI 4, MA KUWI 7a
A 072
Zweimal, 1938 und 1946, veröffentlichte die amerikanische Zeitschrift The National Geographic für ihre mehr als 1,5 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten eine Karte mit dem Titel: „Bible Lands. Die Wiege der abendländischen Zivilisation“. Darauf waren gleichermaßen archäologische Stätten, Orte der Ölförderung, Eisenbahnlinie, Straßen und biblische Orte verzeichnet. Von der Forschung bis heute unbeachtet, scheint diese Karte ein Schlüsseldokument dessen zu sein, was man heute unter "kulturellem Extraktivismus" verstehen könnte: Nicht nur geologische, sondern auch kulturelle Schätze wurden unter der Erde gesucht, gefunden und dank moderner Infrakstrukturen ausser Landes gebracht.
In diesem Projektseminar geht es darum, gemeinsam einen kritischen wissenschaftlichen Apparat zu dieser Karte zu erstellen. Wie hängen die Translokation von Kulturgütern und von natürlichen Ressourcen zusammen? Welche Akteure waren vor Ort zuständig? Mit welcher Begründung fand der „Export“ statt? Wo endeten die extrahierten Öl- und Mineralienmengen? Wo die archäologischen Schätze? Welches Kapital floss wann in die Region? Um diese Fragen zu beantworten werden wir versuchen, Forschungsfelder, wissenschaftliche Studien und Fragestellungen zusammenzudenken, die normalerweise nicht zusammen gedacht werden und weit über den engen Rahmen der sogenannten Kunstgeschichte hinausgehen. Die Arbeit wird darin bestehen, die Geschichte von Archäologie und Museen mit Elementen aus der Bibelwissenschaft, der Technik- und Wirtschaftsgeschichte, der Kolonialgeschichte und der Geschichte des Kapitals zu verbinden.
„Was ist kultureller Extraktivismus? III“ ist die Fortsetzung des gleichnamigen Seminars vom Wintersemester 2024/2025 sowie Sommersemester 2025. In diesem Blockseminar werden wir gemeinsam eine Publikation erarbeiten. Das Seminar hat experimentellen Charakter und erfordert von den Teilnehmenden viel Teamgeist, Engagement und wissenschaftliche Präzision. Kenntnisse der englischen Sprache werden vorausgesetzt. Französische, arabische, hebräische, persische oder türkische Sprachkenntnisse sind willkommen. Die Teilnahme ist beschränkt auf Studierende, die den ersten sowie zweiten Teil des Seminars in den vergangenen Semestern absolviert haben.
Termine:
21. – 24. Juli 2025, jeweils von 10 – 18 Uhr s.t.
Bibliographie:
Cramer, Johannes, Das Wüstenschloss Mschatta in Berlin und Jordanien als geteiltes Erbe zwischen zwei Kulturen, in: Michael Falser, Monica Juneja (Hg.): Kulturerbe und Denkmalpflege transkulturell. Grenzgänge zwischen Theorie und Praxis, Bielefeld 2013.
Gurevits, David, Anat Kidron (Hg.), Exploring the Holy Land. 150 years of the Palestine Exploration Fund, Sheffield 2019.
Matthes, Olaf, James Simon: Mäzen im Wilhelminischen Zeitalter, Berlin 2000.
Moscrop, John James, Measuring Jerusalem. The Palestine Exploration Fund and British interests in the Holy Land, London 2000.
Trümpler, Charlotte, Das große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus 1860 – 1940, Köln 2008.
Wicker, Dirk, Joachin Marzahn (Hg.): Zwischen Schwarzem Meer und Persischen Golf. 125 Jahre Deutsche Orient-Gesellschaft, Darmstadt 2023.
Wilhelm, Gernot (Hg.), Zwischen Tigris und Nil. 100 Jahre Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Vorderasian und Ägypten, Mainz 1998.
Willert, Sebastian, Kulturbesitz. Konflikte um archäologische Objekte in der Deutsch-Osmanischen Politik 1898-1918, Göttingen 2024.