Veranstaltung

LV-Nummer
Gesamt-Lehrleistung 26,00 UE
Semester SoSe 2024
Veranstaltungsformat LV / Seminar
Gruppe Dialog und Dissens - oder: Wie geht "ein gutes Gespräch" über Strittiges
Organisationseinheiten Technische Universität Berlin
Fakultät I
↳     Institut für Sprache und Kommunikation
↳         31352200 FG Allgemeine Linguistik
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Ansprechpartner*innen
Hembd, Johanna Marieke
Verantwortliche
Sprache Deutsch

Termine (1)


Mi. 17.04 - 17.07.24, wöchentlich, 16:00 - 17:30

Charlottenburg
,
H 3008

31352200 FG Allgemeine Linguistik

26,00 UE
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Legende
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Mo.
Di.
Mi.
Einführung in die Sprachkritik (Seminar)
Dialog und Dissens - oder: Wie geht "ein gutes Gespräch" über Strittiges
Charlottenburg, H 3008
Hess-Lüttich, Ernest
Einführung in die Sprachkritik (Seminar)
Dialog und Dissens - oder: Wie geht "ein gutes Gespräch" über Strittiges
Charlottenburg, HBS 421
Hess-Lüttich, Ernest
Einführung in die Sprachkritik (Seminar)
Dialog und Dissens - oder: Wie geht "ein gutes Gespräch" über Strittiges
Ohne Ort
Hess-Lüttich, Ernest
Einführung in die Sprachkritik (Seminar)
Dialog und Dissens - oder: Wie geht "ein gutes Gespräch" über Strittiges
Ohne Ort
Hess-Lüttich, Ernest
Do.
Fr.
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 ·        Hess-Lüttich. BA: Dialog und Dissens – oder: Wie geht "ein gutes Gespräch" über Strittiges?

·        Modulzuweisung: BA KultSK 2a, BA Kult FW

·        Kontakt: hess-luettich@campus.tu-berlin.de


Im Kant-Jahr 2024 bietet es sich an, dessen kontrafaktische Vorstellungen eines vollkommenen Gesprächs zum Ausgangspunkt des Nachdenkens über die Bedingungen der Möglichkeit von Verständigung zu nehmen, zumal in Zeiten, in denen Konfliktkommunikation den gesellschaftlichen Zusammenhalt zunehmend herausfordert. Kants Bedingungen geben zur Bewertung konkreter Gespräche das Richtmaß vor und entfalten als 'regulative Prinzipien' praktische Kraft. Nach der sich durch eine Vielzahl von Texten in mehreren Disziplinen (Philosophie, Theologie, Pädagogik usw.) ziehenden Figur der normativ-idealisierenden Auseinandersetzung mit dem Gespräch etabliert Habermas den "gesprächsreflexiven Diskurs" als kommunikationsethisches Programm. Normative gesprächsreflexive Äußerungen stellen somit "nicht nur Indikatoren, sondern auch Faktoren des historischen Wandels von Gesprächswirklichkeit" dar (Meier 2013).

In kritischer Auseinandersetzung mit daraus abgeleiteten linguistischen Ansätzen soll das Seminar – diesseits der Etablierung einer synekdochalen Verwendungsweise des Ausdrucks 'Dialog' (der Religionen, der Kulturen), der heute verschiedenste Kommunikationsprozesse von der spontanen Begegnung bis hin zu institutionalisierten Arbeitsgruppen bezeichnen kann – unter Rückgriff auf kommunikationstheoretische und linguistisch-empirische Ansätze im Umkreis von Gerold Ungeheuer die in normativen und diskursethischen Modellen ausgeblendete, aber angesichts sich dramatisch zuspitzender gesellschaftlicher Fragmentierungen und geopolitischer Herausforderungen hochaktuelle Krisen- und Konfliktkommunikation in den Blick nehmen, in der die Bedingungen der Möglichkeit von Verständigung selbst zunehmend problematisch werden und die daraus erwachsende 'Sprachlosigkeit' (i.S.v. Davidson) zwischen Kontrahenten in gewaltsame Aktion umzuschlagen droht.

Zur Vorbereitung auf das Seminar ist die Lektüre zumindest einer der gängigen Einführungen in die Diskurslinguistik dringend empfohlen, da die Kenntnis ihrer wichtigsten Ansätze und Methoden vorausgesetzt wird. Denn der Schwerpunkt der Diskussion soll in der praktischen Arbeit mit aktuellen Kontroversen und gesellschaftlich strittigen Fragen diesen (z.B.: Ukraine aufrüsten oder Verhandlungen jetzt? Schuldenbremse ja oder nein? Sind die Aktionen der Klimakleber oder der Landwirte Nötigung oder Notwehr? Auf welcher Seite soll Deutschland Israel-Palästina-Konflikt stehen? Sind Bewegungen wie BDS oder FFF antisemitisch? Bedroht die Migration die deutsche Identität? Führt die Gendersprache zur Gleichberechtigung? Silvesterböller oder Tierschutz? Bedrohen KI und Soziale Medien unsere Freiheit? Nach dem Pisa-Schock mehr Anstrengung oder mehr Achtsamkeit in Bildung und Wettbewerb? Undsoweiter: eigene Vorschläge, auch zu literarischen Fiktionalisierungen strittiger Debatten, jederzeit willkommen!). Erwünscht wäre es, wenn bei der Recherche zu solchen Streitfragen im Sinne der britischen Tradition der 'Debating Societies' jeweils die der eigenen Position entgegenstehenden Argumente vertreten oder wenigstens besonders zur Geltung gebracht würden. Vorschläge zur Lektüre:

Davidson, Donald 2004: Problems of Rationality, Oxford: Clarendon Press

Habermas, Jürgen 1981: Theorie des kommunikativen Handelns, 2 vols., Frankfurt/Main: Suhrkamp

Habermas, Jürgen 2019: Diskursethik, Frankfurt/Main: Suhrkamp

Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.) 2021: Handbuch Gesprächsrhetorik, Berlin/Boston: de Gruyter (bes. Kap. III: 279-429)

Juchem, Johann G. 1985: Der notwendig konfliktäre Charakter der Kommunikation, Aachen: Rader

Kurilla, Robin 2020: Theorie der Gruppenidentitätsfabrikation. Ein kommunikationsökologischer Entwurf mit sozialtheoretischen Implikationen, Wiesbaden: Springer

Liebsch, Burkhard (ed.) 2020: Dialog. Ein kooperativer Kommentar, Freiburg/Brsg.: Karl Alber

Meier, Simon 2013: Gesprächsideale, Berlin/Boston: de Gruyter

Taylor, Talbot J. 1992: Mutual Misunderstanding. Scepticism and the Theorizing of Language and Interpretation, London: Routledge

Ungeheuer, Gerold 22017: Kommunikationstheoretische Schriften I: Sprechen, Mitteilen, Verstehen, Münster: nodus

Ungeheuer, Gerold 22020: Kommunikationstheoretische Schriften II: Symbolische Erkenntnis und Kommunikation, Münster: nodus