Zusatzinformationen Museumsreformerinnen im frühen 20. Jahrhundert – Annäherungen an neue Genderperspektiven in der Museumsgeschichtsforschung
SE
Dr. Kristina Kratz-Kessemeier und Dr. Andrea Meyer
MA
MA KUWI 3b, 2
Do, 16-19 Uhr (3st.)
A 072
Der Anteil an Wissenschaftlerinnen, die heute im kuratorischen Bereich oder in Führungspositionen an Museen in Deutschland arbeiten, ist groß. An Kunst-, Volkskunde- oder Heimatmuseen etwa liegt die Leitung zu gut 50 Prozent in den Händen von Frauen. Ein solch ausgeglichenes Geschlechterverhältnis unter Museumsleuten war nicht immer selbstverständlich. Im Gegenteil, im ausgehenden Kaiserreich zählte die Hamburger Journalistin Else Grüttel in ihrer Bestandsaufnahme von 1913 deutschlandweit keine einzige Museumsdirektorin und nicht einmal ein halbes Dutzend Volontärinnen und Assistentinnen an Häusern in Berlin, Leipzig, München und Trier. Noch 1930 gab es unter den annähernd 500 Museumsangestellten, die das Jahrbuch der deutschen Museen erfasste, nur 18 Frauen (knapp vier Prozent). Selbst der fortschrittliche Museumsakteur Wilhelm Waetzoldt, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, schrieb 1932 weiterhin: Mit der Ablösung der Künstler durch Gelehrte an der Spitze öffentlicher Sammlungen habe sich ein „besonderer Typus des Kunstforschers“, „ein eigener wissenschaftlicher Beruf“ herausgebildet: „der Museumsmann“.
Ein zweiter, gründlicherer Blick in die Museumsgeschichte zeigt indes: Es waren schon im Kaiserreich, dann aber vor allem während der Weimarer Republik weitaus mehr akademisch ausgebildete Frauen an deutschen Museen tätig als die hier zitierten Quellen vermuten lassen. Viele arbeiteten zwar auch nach ihrer Promotion in befristeten, unbezahlten Stellen, wurden niemals oder erst spät in ihrer Karriere befördert. Dennoch leisteten sie in der Reformära 1900-1933 einen erheblichen Beitrag zum Wandel der Institution Museum vom Tempel der Kunst und Wissensspeicher hin zum für alle offenen Bildungs- und Publikumsort. Als Kuratorinnen, Sammlungsleiterinnen, selbst als Volontärinnen oder „Hilfswissenschaftlerinnen“ machten sie sich Kernaufgaben des Museums, etwa in der Forschung oder Dokumentation, in der Ausstellungs- oder Vermittlungsarbeit, zu eigen, entwickelten sie weiter und setzten so Zeichen für eine neue, demokratische Idee vom Museum im 20. Jahrhundert.
In unserem Seminar wollen wir die Beiträge der Frauen zur Genese des modernen Museums ebenso wie die Herausforderungen, denen sie sich im frühen 20. Jahrhundert zu stellen hatten, ins Blickfeld rücken. Wie aber kann es gelingen, ihre Karrieren und Aktivitäten erstmals überhaupt genauer zu rekonstruieren? Welche Quellen gilt es zu befragen, welche Hilfsmittel können genutzt werden? Über Fragen zur unmittelbaren Forschungspraxis hinaus setzen wir uns kritisch mit der Historiografie auseinander, in der Wissenschaftlerinnen am Museum, wie schon bei Waetzoldt 1932, noch immer allzu wenig präsent sind. Inwieweit beförderten patriarchale Denk- und Sprachmuster in der Kunst- und Museumsgeschichte das Vergessen von Frauenkarrieren am Museum? (Wann) hat sich der Diskurs verändert und warum?
Hinweis: Vor-Ort-Besuche in Archiven und Ausstellungen sind geplant. Die Teilnahme am Schöne-Vortrag (20.11.2023), der das Seminarthema aus internationaler Perspektive beleuchtet, wird vorausgesetzt.
Organisationseinheiten Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik, 31321800 FG Kunstgeschichte der Moderne mit Schwerpunkt Wissenskulturen/Institutionsgeschichte/Kunstgeschichte
Dozierende Meyer, Andrea
Datum/Uhrzeit 16:00 - 19:00, Do., Do. 19.10.23, Do. 26.10.23, Do. 02.11.23, Do. 09.11.23, Do. 16.11.23, Do. 23.11.23, Do. 30.11.23, Do. 07.12.23, Do. 14.12.23, Do. 21.12.23, Do. 11.01.24, Do. 18.01.24, Do. 25.01.24, Do. 01.02.24, Do. 08.02.24, Do. 15.02.24
Ort A 072 (Charlottenburg)
Vor-/Nachbereitungsdauer 0min/0min