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Bei aller Ausdifferenziertheit leistet sich die Soziologie ein Genre, das – der medizinischen Diagnose-Metapher folgend – alle gesellschaftlichen Trends und Krisenphänomene auf eine Ursache zurückführt und auf einen Begriff von Gesellschaft bringt: die Gesellschaftsdiagnosen.
Gesellschaftsdiagnosen gelten in der Soziologie als etwas anrüchig, vor allem auf Grund ihrer Nähe zu massenmedialen Darstellungsweisen (immerhin sind Monografien wie die „Risikogesellschaft“ oder die „Netzwerkgesellschaft“ Bestseller und werden weit über die Soziologie hinaus rezipiert). Es besteht im Fach Einigkeit darüber, dass es sich bei diesem Genre nicht um echte Gesellschaftstheorie handelt, sondern um ein eigenes Genre, und wirklich aus der Soziologie ausschließen will die Gesellschaftsdiagnosen niemand. Es ist vielmehr eine differenzierte soziologische Sekundärliteratur entstanden, in der auf unterschiedliche Weise die spezifischen Stärken und Schwächen dieses Genres herausgearbeitet werden.
Im Seminar werden einige der bekanntesten Gesellschaftsdiagnosen behandelt, etwa Spielarten der zuspitzenden Beschreibung des Kapitalismus bzw. der Globalisierung oder die Risiko-, Erlebnis- und Netzwerkgesellschaft sowie die beschleunigte Gesellschaft. Um die Plausibilität der Einzeldiagnosen diskutierbar zu machen, werden begleitend auch die wichtigsten Positionen aus der genannten soziologischen Sekundärliteratur zu den Gesellschaftsdiagnosen behandelt