Wildgruber, Gerald
LV-Nr.: 3131 L 016
MA-TGWT LW 1, 2
MA-GKWT 4, 7/3
BA-KulT IS 4
Freie Wahl
SE Der Russische Formalismus
Mi. 12-16 Uhr (14-tägig)
Raum: H 2051
Anmeldung über ISIS
Beginn: 19.10.2022
Der Russische Formalismus war eine Gemeinschaft von Forschern (Sprach- und Literaturwissenschaftlern), in engem Verbund mit Schriftstellern (Wladimir Majakowski) und Bildenden Künstlern (Kubismus, Futurismus) im nach-revolutionären und vor-stalinistischen Russland der 10er, 20er und 30er Jahre, hauptsächlich in Sankt Petersburg und Moskau, die, erfaßt von den totalitären politischen Bewegungen in der ersten Hälfte des 20.Jh, in den 30er Jahren unterdrückt wurde, aber auf dem Weg der Emigration über Stationen in Prag, Kopenhagen, Paris und den USA von großer Wirksamkeit für das westliche Denken wurde, und im selben Zuge als die erste eigentlich wissenschaftliche Theorie der Literatur angesehen werden kann.
Genealogisch besehen ist der Russische Formalismus die Kindheit (oder nach Aussage des russischen Philologen Roman Jakobson: die Kinderkrankheit) des Strukturalismus. Er ist damit unmittelbar, im Verbund mit der Allgemeinen Sprachwissenschaft Ferdinand de Saussures, die maßgebliche Vorgeschichte der strukturalistischen und poststrukturalistischen Theoriebildung, und zwar desjenigen Teils von ihr, der den Schwerpunkt mehr auf technisch-formale, sprachwissenschaftlich informierte Argumente und weniger auf eine Ontologie der Literatur (Bataille, Blanchot, Foucault) legte.
Ursprünglich eine Gesellschaft für das Studium der poetischen Sprache ist die leitende Forschungsfrage des Formalismus, die er (in Absetzung zu hermeneutischen und biographisch-soziologischen-psychologischen Herangehensweisen) zu bearbeiten sich vornahm, die nach der Poetizität eines literarischen Kunstwerks: was also eine sprachliche Äußerung zu einem Werk der Kunst mache, nach Verfahren und Strukturen des Kunstwerks.
Das Seminar dient dem Studium der grundlegenden Texte dieser Bewegung (Viktor Šklovskij, Jurij Tynjanov, Roman Jakobson, Osip Brik, Vladimir Propp, Boris Eichenbaum). Es verfolgt einerseits die Beziehungen zur zeitgenössischen Kunst und Literatur der 20er Jahre, andererseits sein Nachleben im Denken der zweiten Hälfte des 20.Jhs, und richtet schließlich den Blick auch auf die Kritik formalistischen Denkens überhaupt (am substantiellsten vorgetragen in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes von Hegel).
Literaturverweis:
Texte der Russischen Formalisten I, II, Hgg. Jurij Striedter und Wolf-Dieter Stempel, München 1972
Aage A. Hansen-Löve, Der Russische Formalismus, Wien 1978/1996
Fritz Mierau (Hg), Die Erweckung des Wortes. Essays der Russischen Formalen Schule, Reclam Leipzig 1991
Roman Jakobson. Meine Futuristischen Jahre (im russischen Original: “Futurist der Wissenschaft”), Berlin 1992
Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte, 31311900 FG Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Literatur und Wissenschaft
Mi. 19.10 - 14.12.22, alle zwei Wochen, Mi. 11.01 - 08.02.23, alle zwei Wochen, 12:00 - 16:00, unregelmäßig
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