„Je mehr Du ganz zum Kunsthändler wirst, umso mehr wirst Du zum Künstler [...]“, schrieb Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo im Jahre 1888. Van Gogh sehnte sich nach einer Art Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit seinem wichtigsten Unterstützer, dem Kunsthändler Theo van Gogh. Der Künstler könnte sich dann ausschließlich auf die Kunstproduktion konzentrieren, der vertraute Bruder als Händler und Vermittler „für Atelier, Nahrung, Farben usw.“, sprich für die wirtschaftliche Absicherung sorgen. Beide Interessen wären auf ideale Weise miteinander verbunden.
Van Goghs Visionen zu „späteren Versuchen, den Kunsthandel zu erneuern“, spielen auf einen sensiblen Punkt an: die Finanzierung bzw. das Verkaufen von Kunst. Kunstwerke als Wert- und Handelsobjekte blickten schon damals auf eine lange Tradition zurück. Die Bedingungen für die Produktion, für Vermittlung und Verkauf ihrer Werke stellten die Künstler im Zuge des tiefgreifenden gesellschaftlichen, politischen und technologischen Wandels seit dem frühen 19. Jahrhundert jedoch vor gänzlich neue Herausforderungen. So entstanden Kunstwerke immer seltener im Auftrag, sondern wurden für einen „freien“ Markt geschaffen - der sich zunehmend rasant internationalisierte, in seinen Strukturen und Institutionen aber erst finden und festigen musste. Die Schwierigkeiten für die Künstler lagen nicht nur im Abwägen zwischen dem Kunstgeschmack einer breiteren Masse – oder zumindest einer potentiellen Käufergruppe – und dem eigenen künstlerischen Anspruch. Es bedurfte vermittelnder Instanzen zwischen der diversen individuellen Kunstschöpfungen und einem kunst- und kaufinteressierten Publikum.
Das Seminar wird anhand ausgesuchter Beispiele einen Blick auf die Kunst- und Institutionengeschichte des im heutigen Sinn „modern“ verstandenen Kunstmarkts, speziell den Kunsthandel und das private Galerien- und Ausstellungswesen der Zeit um 1800 bis zum Zweiten Weltkrieg werfen. Schlaglichter beleuchten einige wichtige Schauplätze und wegweisende Protagonist*innen des national wie international vernetzten Kunstmarktgeschehens. Ein besonderes Augenmerk wird auf den Strategien und Praktiken für die Präsentation und den Verkauf aktueller Kunstwerke liegen. Wir werden uns dabei auf Öl- und Papierarbeiten in den Kunst(handels)zentren Paris und Berlin konzentrieren, um den Rahmen des Seminars nicht zu sprengen. In einem abschließenden praktischen Teil werden Originale vor Ort sowohl in der Alten Nationalgalerie (oder Berlinische Galerie) als auch in der Villa Grisebach „ganz handfest“ unter die Lupe genommen, befragt, bewertet und der heutige Umgang mit der Kunst bekannter wie unbekannter Meister des 19. und 20. Jahrhunderts auf dem Kunstmarkt thematisiert.
Dozentin: Anna Ahrens
MA KUWI 3a, 7a (evtl. BA KulT KW 5)
Einführung am Fr, 29.04.22 in EB 107
Dienstag, 28. und Mittwoch, 29. Juni, jeweils 10-15 Uhr, TU Berlin; Donnerstag, 30. Juni, 10-15 Uhr, Alte Nationalgalerie oder Berlinische Galerie, Freitag, 1. Juli, 10-15 Uhr, Villa Grisebach, Fasanenstraße 25
31321100 FG Kunstgeschichte der Vormoderne mit dem Schwerpunkt Materialität
Mi. 29.06.22, 10:00 - 15:00
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